9.4 Eigenschwingungen ungedämpfter Systeme
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9.4.2 Numerische Ermittlung der Eigenwerte
Zur Lösung des zuvor beschriebenen allgemeinen Eigenwertproblems mit symmetrischen
und positiv definiten Matrizen bieten sowohl die Mathematik wie auch die FEM-Universal-
programme verschiedene Lösungsverfahren an. Ohne auf die mathematischen Hintergründe
dieser Verfahren vertieft einzugehen, kann festgestellt werden, dass diese Anwendung von
verschiedenen Gegebenheiten abhängig ist:
x Zunächst ist herauszustellen, dass in der Praxis meist nur eine beschränkte Anzahl der
meist niedrigsten Eigenfrequenzen mit den dazugehörigen Eigenvektoren von Interesse
sind, oder diese Werte in einem bestimmten Intervall gesucht werden. Zufolge der Dis-
kretisierung sind die niedrigen Eigenwerte relativ genau bzw. die höheren nur mit einem
größeren Fehler bestimmbar.
Im Besonderen ist maßgebend:
x Es liegt eine Problemstruktur vor, bei der die Matrizen M und K voll besetzt sind. Dies
tritt dann ein, wenn eine Kondensation zur Eliminierung von Freiheitsgraden vorgenom-
men wurde. In diesem Fall eignen sich als Lösungsverfahren das
Jacobi- und Househol-
der
-Verfahren sowie die Modifikation von Householder-Givens zur Erzeugung tridiago-
naler Matrizen.
x Es liegt der Normalfall vor, dass M und K nur schwach besetzt sind und eine Hüll- oder
Bandstruktur vorherrscht. Diesbezüglich erweist sich die
Vektoriteration oder Bisek-
tionsmethode
als am zweckmäßigsten.
x Eine besondere Klasse von iterativen Lösungsverfahren (z. B. Koordinatenüberrelaxa-
tion
) nutzt die schwache Besetzung der Matrizen aus oder operiert nur mit den von null
verschiedenen Koeffizienten. Bei diesem Verfahren ist zwar der Speicherbedarf am ge-
ringsten, aber der Rechenaufwand relativ hoch.
x Des Weiteren kann der allgemeine Fall vorkommen, dass Eigenwerte eines Systems be-
stimmt werden müssen, welches selbst noch Starrkörperbewegungen (z. B. Flugzeug,
Satellit etc.) vollführt. Die Matrix
K (z. B. Lanczos-Verfahren) ist dann singulär. Der-
artige Probleme werden numerisch durch eine Spektralverschiebung gelöst, in dem die
Matrix mit Faktoren multipliziert werden, die letztlich zu denselben Eigenwerten führen.
Dieses Verfahren kann auch auf statisch bestimmte Strukturen angewandt werden.
Bei einigen Programmsystemen kann der Anwender direkten Einfluss auf das zu wählende
Verfahren nehmen und somit den Speicherbedarf und die Rechenzeit optimieren. Falls dies
nicht möglich ist, wählen die Programme bevorzugt die Vektoriteration, oder wenn es insge-
samt wirtschaftlicher (kleiner 1.000 FHGs) ist, das Householder-Verfahren.
Im folgenden Beispiel ist exemplarisch eine Stahlbaubrücke hinsichtlich der Eigenfrequen-
zen und Eigenschwingungsformen untersucht worden. Die Struktur hat insgesamt
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