2.4. Die Stabilit
¨
atstheorie von Ljapunov 99
Wir wollen nun noch den Fall betrachten, dass wir eine Ljapunov-Funktion
V f
¨
ur ein System
˙
x = f (x) kennen, f
¨
ur die wir nur
˙
V (x) ≤ 0 und daher
mit Satz 9 nur Stabilit
¨
at im Sinne von Ljapunov und keine asymptotische
Stabilit
¨
at nachweisen k
¨
onnen. Existiert nun keine Trajektorie x(t), die bei ir-
gendeinem Anfangswert x(0) beginnt und entlang derer die Ableitung
˙
V (x(t))
fortw
¨
ahrend identisch null ist, so nimmt V entlang aller Trajektorien aus der
Umgebung der Ruhelage x
R
= 0 ab. Folglich ist die asymptotische Stabi-
lit
¨
at der Ruhelage auch in diesem Fall nachweisbar [13]. Wir formulieren dies
pr
¨
aziser in
Satz 10 (Satz von Barbashin und Krasovskii). Die Differenzialglei-
chung ˙x = f(x) mit der Ruhelage x
R
= 0 besitze f
¨
ur jeden Anfangswert aus
einer Umgebung U
1
(0) des Ursprungs eine stetige und eindeutige L
¨
osung. Es
existiere eine Funktion V (x) mit
(1) V (0)=0,
die in einer Umgebung U
2
(0) ⊆ U
1
(0) stetig ist, stetige partielle Ableitungen
besitzt und dort mit Ausnahme von x = 0 die folgenden Bedingungen erf
¨
ullt:
(2) V (x) > 0
(3)
˙
V (x) ≤ 0
(4) Die Menge von Zust
¨
anden x,f
¨
ur die
˙
V (x)=0gilt, enth
¨
alt keine Trajek-
torie x(t).
Dann ist die Ruhelage x
R
= 0 asymptotisch stabil.
Ist die Ljapunov-Funktion des obigen Satzes außerdem noch radial unbe-
schr
¨
ankt und ist U
2
(0)=IR
n
, so ist die Ruhelage global asymptotisch stabil.
Satz 10 erweist sich in der Praxis oft als n
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utzlich, wenn man nur eine
Ljapunov-Funktion mit
˙
V (x) ≤ 0 finden kann. Die Bedingung (4) l
¨
asst sich
¨
uberpr
¨
ufen, indem man die Menge der Werte x bestimmt, f
¨
ur die
˙
V (x)=0
ist. Diese Werte setzt man in ˙x = f (x) ein. Enthalten sie eine andere L
¨
osung
der Differenzialgleichung als x = 0, so ist die Bedingung (4) nicht erf
¨
ullt.
Meistens ist sie allerdings erf
¨
ullt, denn nur in seltenen F
¨
allen verl
¨
auft eine
Tra jektorie x(t)fortw
¨
ahrend auf einer H
¨
ohenlinie der Ljapunov-Funktion V ,
was identisch mit
˙
V (x(t)) = 0 ist.
Das Problem bei der Anwendung obiger Stabilit
¨
atss
¨
atze ist das Auffinden
einer Ljapunov-Funktion V (x). F
¨
ur das eine oder andere nichtlineare System,
wie das im nachfolgenden Abschnitt, und f
¨
ur lineare Systeme ist die Ermitt-
lung einer Ljapunov-Funktion aufgrund der Anschauung einfach. Im allgemei-
nen Fall stellt es sich allerdings als außerordentlich problematisch heraus, eine
Ljapunov-Funktion zu bestimmen. Zwar gibt es eine Reihe von Konstruktions-
methoden f
¨
ur Ljapunov-Funktionen [52, 144] wie die Methoden von Aiserman,
die von Schultz und Gibson, die von Ingwerson oder die Methode von Zubow.
Doch sind sie nur auf Spezialf
¨
alle anwendbar und in vielen F
¨
allen aufwendig
zu handhaben. Letztendlich ist man daher in der Mehrzahl der F
¨
alle auf das
Ausprobieren verschiedener Funktionsans
¨
atze f
¨
ur V (x) angewiesen.