1.1. Systembeschreibung und Systemverhalten 19
vom hochfrequenten Schalten der Stellgr
¨
oße, in die Ruhelage x
R
= 0.Aus
diesem Gleiten leitet sich auch der Begriff Gleitzustand ab.
Obiges Verhalten hat den Nachteil, dass das Stellglied, z. B. wenn es ein
Ventil oder ein anderer mechanischer Aktor ist, stark belastet wird und schnell
verschleißt. Meistens sind Gleitzust
¨
ande daher unerw
¨
unscht.
Der Gleitzustand hat aber auch einen Vorteil. Das Gleiten der Trajektorie
x(t) in die Ruhelage erfolgt, wie sich zeigen l
¨
asst, robust gegen
¨
uber Parame-
ter
¨
anderungen der Regelstrecke. D. h., der Regelkreis besitzt im Gleitzustand
immer dieselbe Dynamik, auch wenn sich die Regelstrecke ver
¨
andert. Dieses
Verhalten kann daher f
¨
ur den Entwurf einer bestimmten Klasse von robusten
Regelungen, den Gleitzustandsregelungen, ausgenutzt werden. Wir widmen
uns dieser Thematik in Kapitel 5.2.
1.1.9 Chaos
Chaos tritt in biologischen, meteorologischen,
¨
okonomischen und technischen
Systemen auf [21, 95, 180]. Konkrete Beispiele sind Wirtschaftszyklen, Single-
Mode-Laser, mikromechanische Oszillatoren und die Entwicklung von Popu-
lationen in
¨
okologischen Systemen. Die wichtigste Charakteristik chaotischer
Systeme besteht darin, dass man nicht genau sagen kann, wie sich ihre Zu-
standsgr
¨
oßen entwickeln werden. Dies ist insofern erstaunlich, da chaotische
Systeme durch gew
¨
ohnliche Differenzialgleichungen mit deterministischem
Verhalten beschrieben werden k
¨
onnen. Der Begriff deterministisch schließt da-
bei jegliche Art von stochastischen Einfl
¨
ussen auf das System aus. Anschaulich
betrachtet bedeutet chaotisches Verhalten Folgendes:
(1) Die Trajektorien verlaufen aperiodisch, d. h., sie laufen nicht in Grenzzy-
klen hinein.
(2) Die Trajektorien streben weder in eine Ruhelage noch ins Unendliche.
(3) Beliebig nah beieinander liegende Anfangswerte bzw. -vektoren f
¨
uhren zu
sehr unterschiedlichen Trajektorienverl
¨
aufen.
Wir betrachten als Beispiel f
¨
ur ein chaotisches System das Doppelpen-
del, wie es Bild 1.23 zeigt. Die Massen m
1
und m
2
h
¨
angen jeweils an zwei
Pendelst
¨
aben der L
¨
angen l
1
und l
2
. Die Gelenke erlauben eine freie Rotation
der Pendel, d. h., die Drehwinkel Θ
1
und Θ
2
sind nicht durch Anschl
¨
age be-
schr
¨
ankt. Auf die Pendelmassen wirkt die Erdbeschleunigung g =9.81 m s
−2
,
so dass das Doppelpendel f
¨
ur die Winkel Θ
1
= Θ
2
= 0 eine stabile Ruhelage
besitzt.
Beschrieben wird das System durch die Differenzialgleichungen
¨
Θ
1
=
g(sin Θ
2
cos ΔΘ − μ sin Θ
1
) − sin ΔΘ(l
2
˙
Θ
2
2
+ l
1
˙
Θ
2
1
cos ΔΘ)
l
1
(μ − cos
2
ΔΘ)
,
¨
Θ
2
=
μg(sin Θ
1
cos ΔΘ − sin Θ
2
)+sinΔΘ(μl
1
˙
Θ
2
1
+ l
2
˙
Θ
2
2
cos ΔΘ)
l
2
(μ − cos
2
ΔΘ)