
96 3 Downsizing
Nach dem Öffnen der Drosselklappe sinkt der Druck davor infolge des Druck-
ausgleichs kurzfristig ab, sodass sich das saugmotorische Drehmoment um 0,2 s
verzögert aufbaut. Der erhöhte Drehmomentbedarf bewirkt ein Schließen des
Wastegates mit der Folge eines Anstiegs des Abgasgegendruckes. Trotzdem der
Abgasgegendruck stets höher ist als der Ladedruck und die verdichtete Ansaugluft
im Teillastbetrieb zudem noch gedrosselt wird, ist ein Ladungswechsel dennoch
möglich, da die Steuerzeiten AÖ und EÖ zeitlich verschoben sind. Es ergeben sich
jedoch relativ hohe Restgasanteile, da ein Teil des Abgases während der Ventil-
überschneidungsphase aufgrund des negativen Spülgefälles in den Ansaugkanal
expandiert.
Das Zusammenspiel von Abgasgegendruck und Ladedruck hat generell einen
erheblichen Einfluss auf den Restgasanteil. Das schlagartige Öffnen der Drossel-
klappe bewirkt einen raschen Anstieg des Saugrohrdruckes, sodass der Restgasan-
teil deutlich absinkt. Hohe Restgasanteile sind zu vermeiden, da sie die Zylinder-
füllung begrenzen und infolge der Erhöhung der Ladungstemperatur die Klopfnei-
gung des Motors erhöhen sowie eine Erhöhung der zyklischen Schwankungen
bewirken.
Der Anstieg des Ladedruckes resultiert aus der zunehmenden Verdichterdreh-
zahl. Während dieser Phase ist die Leistung der Abgasturbine größer als die vom
Verdichter aufgenommene Leistung. Die Differenz dient zur Beschleunigung des
Turboladerlaufzeugs. Sobald der gewünschte Ladedruck erreicht ist, öffnet das
Wastegate, und es stellt sich ein stationäres Leistungsgleichgewicht am Abgastur-
bolader ein. Mit dem Anstieg des Ladedruckes steigt auch das Drehmoment des
Motors und in der Folge auch die Drehzahl. Aufgrund des zunehmenden Abgas-
gegendruckes, der direkt die Ausschiebearbeit bestimmt, ist die Drehmomentstei-
gerung jedoch nicht identisch mit der Ladedruckerhöhung. Die höhere Zylinder-
füllung führt zu einer schnelleren Energieumsetzung (Brenndauer sinkt) und er-
fordert darüber hinaus eine klopfbedingte Verschiebung des Zündzeitpunktes nach
„spät“. Die damit verbundenen späteren Schwerpunktlagen der Verbrennung re-
duzieren des motorischen Wirkungsgrad und damit auch das mögliche Volllast-
Drehmoment.
Die beschriebene Problematik des Low-End-Torque sowie des Beschleuni-
gungsverhaltens aus niedrigen Drehzahlen wird mit steigendem Ladedruckniveau
immer ausgeprägter. Abb. 3.22 zeigt den prinzipiellen Unterschied von konventi-
oneller einstufiger Aufladung und einstufiger Hochaufladung für eine Fahrzeug-
anwendung. Auch hier ist das deutlich geringere Anfahrdrehmoment sowie das
schlechtere Beschleunigungsverhalten des Motors mit Hochaufladung dargestellt.
Mit zunehmender Leistungsdichte wird die Diskrepanz zwischen stationärem und
transientem Motorbetriebsverhalten größer. Zudem ist der Drehzahlbereich des
maximalen Mitteldruckes im Vergleich zur konventionellen Aufladung kleiner,
und beim Beschleunigen wird die stationäre Volllastkurve erst bei höherer Dreh-
zahl erreicht. Im Falle der Hochaufladung mit effektiven Mitteldrücken deutlich
oberhalb von 20 bar müssen demnach in jedem Fall geeignete Maßnahmen zur
Formung des Drehmomentverlaufes sowohl für den stationären als auch für den
instationären Betrieb getroffen werden.