4.2 Warum Statistik? 85
veröffentlichte er bis zu seinem Tode mehrere einflussreiche Bücher, darunter Sta-
tistical Methods for Research Workers, das seit seiner ersten Auflage im Jahre 1925
insgesamt 14 Neuauflagen und Übersetzungen erlebte ([54]), sowie 8 Auflagen ei-
nes Lehrbuchs mit dem Titel The Design of Experiments, die zwischen 1935 und
1966 erschienen ([56]). Obwohl — oder gerade: weil — er stets die Anwendungen
der Statistik im Auge hatte, ist sein Name eng mit statistischen Themen wie Varianz-
und Kovarianzanalyse, Maximum Likelihood-Schätzung oder Diskriminanzanalyse
verbunden. Auf Fisher wird in der Folge mehrfach zurückzukommen sein.
Bevor wir nun näher auf den zweiten der erwähnten Herren, George Edward
Pelham Box (geboren 1919) eingehen, bietet sich noch eine Fußnote zu einem frü-
hen Vorgänger Box’ in der industriell orientierten Statistik an, zu dem englischen
Wissenschaftler William Sealey Gosset (1876-1937). Gosset, vielleicht in der Sta-
tistik sogar besser bekannt unter seinem Pseudonym “student”, das sich auch in der
“student t-Verteilung” und im “student t-test” wiederfindet, kann nämlich in einem
gewissen Sinne als Urahn der Six Sigma-Bewegung angesehen werden, als früher
Anwender statistischer Verfahren zur Verbesserung industrieller Prozesse. Gosset/-
Student, der sowohl Chemie als auch Mathematik studiert hatte, entwickelte ab 1899
für die Guinness-Brauerei in Dublin statistische Methoden, die er bei der Planung
und Auswertung chemischer Experimente anwandte. Guinness war eine Firma, in
der auf wissenschaftliche Methoden gesetzt wurde; bereits 1900 wurden die Guin-
ness Research Laboratories gegründet, in denen Forschungen zu Themen wie Kos-
ten oder Qualität von Gerste und Hopfen betrieben wurden. Gossets Arbeit machte
ihn mit dem Problem kleiner Stichprobenumfänge — geringer Versuchszahlen —
bekannt, und aus seiner Beschäftigung mit den Konsequenzen daraus resultierte sei-
ne 1908 veröffentlichte Arbeit “The probable error of a mean” ([177]), die er — aus
Angst seines Arbeitgebers vor der Veröffentlichung von Betriebsgeheimnissen —
nicht unter seinem eigenen Namen publizieren konnte (klingt dies nicht noch im-
mer modern?).
In diesem Sinne hatte George E.P. Box also sowohl einen frühen “Großvater”
(Gosset) als auch einen berühmten Schwiegervater (er heiratete Fishers zweite Toch-
ter Joan Fisher Box, die später eine vielzitierte Biographie ihres Vaters schrieb).
Box, zunächst wie Gosset als Chemiker ausgebildet, wurde ebenfalls durch prakti-
sche Probleme motiviert, sich mit statistischen Themen auseinander zu setzen, da er
während des zweiten Weltkrieges an Giftgasexperimenten für die britische Armee
beteiligt war. Da er keine adäquate statistische Beratung finden konnte, eignete er
sich die Grundlagen autodidaktisch an, um nach dem Krieg in London Statistik zu
studieren, wo er 1953 über Abweichungen von den der Varianzanalyse zugrunde
liegenden Annahmen (vgl. Kapitel 4.5) promovierte. 1960, Box war mittlerweile in
die USA übergesiedelt, wurde er Professor für Statistik an der University of Wis-
consin, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1992 tätig war. Dort war er der
erste chairman des neu gegründeten Departments of Statistics und gründete 1985,
gemeinsam mit seinem früheren Doktoranden William S. Hunter (1937-1986) das
Center for Quality and Productivity Improvement.