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УДК 625.7
Henning Drecoll, Dr.
Oberstaatsanwalt a.D.
DAS FAHRRAD ALS INNERSTADTISCHES VERKEHRSMITTEL -
VERKEHRSSICHERHEITSPROBLEME
Der 47. Deutsche Verkehrsgerichtstag 2009 hat sich in einem von mir betreuten Arbeitskreis mit dem
Verkehrsmittel Fahrrad und den damit zusammenhangenden Verkehrssicherheitsproblemen beschaftigt.
Im Folgenden mochte ich die in den Referaten der Experten und in der Diskussion aufgezeigte Analyse
dieser speziellen Verkehrssicherheitsproblematik vortragen wie auch die Empfehlung des Arbeitskreises in
meine Uberlegungen einflie&en lassen.Viele dieser Uberlegungen diirften dabei unter
Verkehrssicherheitsaspekten auch im internationalen Bereich von Bedeutung sein.In der Bundesrepublik
Deutschland safcen etwa 18% der im Straftenverkehr verungliickten Personen auf einem Fahrrad, wobei
beriicksichtigt werden muss, dass sich die weitaus grofcte Zahl dieser Unfalle im innerstadtischen Bereich
ereignet hat.
Die Problematik des Fahrrades als innerstadtisches Verkehrsmittel wird auch dadurch deutlich, dass zwei
Drittel der vier Jahre alten Kinder bereits ein Fahrrad besitzen. Bei den sechs- bis neunjahrigen Kindern betragt
die entsprechende Ausstattung iiber 90%, bei den zehn- bis vierzehnjahrigen Kindern ebenfalls iiber 90%. Ab
fiinfzehn geht das Interesse am Fahrrad dann zugunsten von Mofa und Moped etwas zuriick, iiber 70% dieser
Altersklasse besitzen aber ein Fahrrad.Insgesamt betragt der Fahrradbestand in der Bundesrepublik Deutschland
70 bis 73 Millionen.
Das Fahrrad ist inzwischen ein ganz normales Verkehrsmittel geworden. So legen etwa die Einwohner
Berlins ca. 12% ihrer Wege mit dem Fahrrad zuriick - das sind iiber 1 Million Wege pro Tag, da das Fahrrad
unter Kosten- und Zeitgesichtspunkten in vielen Fallen das effizienteste Verkehrsmittel in der Stadt ist.
Die starke Zunahme des Fahrradverkehrs fiihrt auf der anderen Seite zu steigenden Unfallzahlen und
vermehrt zu Konflikten zwischen den Verkehrsteilnehmern.
Bei den durch Fahrradfahrer verursachten Unfallen in Berlin uberwiegen Unfalle beim Einbiegen und auf
Kreuzungen, wobei insoweit vor allem die sechs- bis vierundzwanzigjahrigen und die Qber
vierundsiebzigjahrigen Fahrradfahrer betroffen sind. Weitere haufige Unfallursachen sind Fehler beim Einfahren
in den fliefcenden Verkehr sowie das Benutzen falscher Fahrbahnteile (Gehweg, linker Radweg).
Konflikte vor allem mit Fulkjangern werden haufig durch rucksichtslose Fahrweise der Fahrradfahrer
hervorgerufen. Hier sind die nicht angepasste Geschwindigkeit, das Fahren in Fufkjangerzonen und das Fahren
ohne Licht zu nennen. Probleme ergeben sich auch durch die RotlichtsverstoRe und das ungeordnete, oftmals
verkehrsbehindernde Abstellen von Fahrradern.
Diesen RegelverstoRen der Radfahrer stehen auf der anderen Seite jedoch Behinderungen und
RegelverstoRe anderer Verkehrsteilnehmer gegenuber, die die Radfahrer erleben mussen.
Soweit die Fahrradfahrer Radwege benutzen, kommt es haufig zu Behinderungen durch unerlaubt parkende
Fahrzeuge und unachtsam den Radweg nutzende Oder Qberquerende Fulkjanger. Kritische Situationen ergeben
sich oft auch durch unachtsam ein- bzw. abbiegende Kraftfahrzeuge an Einmundungen von Nebenstrafcen mit
eingeschrankter Sichtbeziehung.
Die Ursachen fur das Unfallgeschehen und die Regelverstofce sind also vielfaltig.
Hinsichtlich derfalschen Strafcenbenutzung durch Fahrradfahrer sind die Regelungen offensichtlich viel zu
unubersichtlich, haufig auch kaum nachvollziehbar.
So ist das Fahren entgegen der Einbahnstrafce grundsatzlich verboten, kann aber durch Beschilderung
freigegeben werden, wovon in einigen deutschen Stadten umfangreich Gebrauch gemacht wird.
Das Fahren auf Gehwegen ist ebenfalls grundsatzlich unzulassig, zahlreiche
Ausnahmen wie etwa „Radfahrer frei" sind aber moglich.
Ein gemeinsamer beschilderter Fuft- und Radweg muss von FuBgangern und
Radfahrern benutzt werden. Von beschilderten und damit
benutzungspflichtigen Radwegen sind dann die nicht beschilderten und somit
nicht benutzungspflichtigen Radwege zu unterscheiden.
Hinzu kommt, dass zu viele Radwege in deutschen Stadten zu schmal sind,
Baume und Lichtmasten als Hindernisse enthalten und Radfahrer aus dem
Sichtfeld der Autofahrer herausfuhren.
Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich eine Reihe von Losungsansatzen. Zunachst mussen Radwege
verkehrssicher gestaltet werden. Das bedeutet auch, dass insbesondere an Einmundungen und
Grundstuckszufahrten die Sichtfelder an den Zu- und Ausfahrten auch bei hohem Parkdruck in beiden
Richtungen freigehalten werden. Dazu mussen die Sicherheitsraume zu parkenden Fahrzeugen ausreichend breit
sein. Insgesamt muss in der Planung, im Bau und in der Unterhaltung von Anlagen fur den Radverkehr das
Prinzip „Sehen und gesehen werden" beachtet werden.