Sprache, dünkt mich, ist reich.
Wenn aber die Formen des Konjunktivs I mit denen des Indikativs zusammenfallen, kann hier auch der
Konjunktiv auftreten, z. B.:
Er sagte, ich hätte ihn beleidigt.
Der Konjunktiv II kann auch in dem Fall gebraucht werden, wenn der Inhalt der fremden Aussage von dem
Sprecher angezweifelt wird:
Er behauptet, er hätte das nicht gewusst.
Die Meunier erklärte, sie brächte ihm Wäsche, (der eigentliche Grund war doch anders).(„Das Obdach ")
Dabei behauptete er, der Blick des Knaben wäre frech.
Ins Russische werden solche Formen meist mit „" übersetzt.
Wie beim irrealen Vergleichssatz sind hier 3 Zeitverhältnisse zu unterscheiden:
- die Gleichzeitigkeit (Präsens/ Präteritum Konjunktiv)
- die Vorzeitigkeit (Perfekt/ Plusquamperfekt Konjunktiv/ Konditional II)
- die Nachzeitigkeit der Handlung des Nebensatzes in Bezug auf die Handlung des Hauptsatzes (Futur/
Konditional I)
Die Zeitformen der Verben im Hauptsatz und im Nebensatz werden absolut gebraucht, es liegt hier also
keine Zeitenfolge vor, z. B.:
Er meinte, er habe Recht.
Sie sagte, sie habe gestern auf mich gewartet.
Er hat versprochen, er werde spätabends noch einmal bei uns anrufen.
Wenn wir bei der Vermittlung fremder Rede den Konjunktiv gebrauchen, dann brauchen wir nicht in jedem
Fall zu zeigen, wem die Aussage gehört.
In der indirekten Frage werden dieselben Zeitformen des Konjunktivs gebraucht wie in der indirekten
Rede.
Ich frage ihn, ob er mit seinem Referat fertig sei. (Gleichzeitigkeit)
Ich frage ihn, wann er sein Referat geschrieben habe. (Vorzeitigkeit)
Ich frage ihn, wann er sein Referat schreiben werde. (Nachzeitigkeit)
Die indirekte Bitte drückt man mit Hilfe des Modalverbs mögen aus:
Ich bat ihn, er möge mich heute anrufen. , .
Er bat seine Freunde, sie möchten ihn von der Bahn abholen. ,
.
Der indirekte Befehl wird mit Hilfe des Modalverbs sollen ausgedrückt, z. B.:
Ich habe ihm gesagt, er solle mir heute Bescheid geben. , .
Der Konjunktiv der fremden Aussage ist von den Menschen beliebt, die fein und gepflegt sprechen wollen.
In der Umgangssprache aber und insbesondere unter nicht sehr gebildeten Menschen wird im Indikativ
gesprochen. Die Grenze im Gebrauch des Konjunktivs I und des Konjunktivs II wird auch nicht eingehalten.
Wir müssen aber verstehen, dass sowohl der Indikativ als auch der Konjunktiv II in der indirekten Rede eine
Abweichung von der heutigen Norm bedeuten, da beide eine individuelle subjektive Stellungnahme des
Sprechers zu einer fremden Aussage ausdrücken.
TEXT
Das Obdach
An einem Morgen im September 1940, als auf der Concorde in Paris die größte Hakenkreuzfahne der
deutsch besetzten Länder wehte und die Schlangen vor den Läden so lang wie die Straßen selbst waren, erfuhr
eine gewisse Louise Meunier, Frau eines Drehers, Mutter von drei Kindern, dass man in einem Geschäft im
XIV. Bezirk Eier kaufen konnte.
Sie machte sich rasch auf, stand eine Stunde Schlange, bekam fünf Eier, für jedes Familienmitglied eins.
Dabei war ihr eingefallen, dass hier in derselben Straße eine Schulfreundin lebte, Annette Villard,
Hotelangestellte. Sie traf die Villard in einem ungewöhnlich erregten Zustand an.
Die Villard hatte auch Grund, so erregt zu sein: Die Gestapo hatte tags zuvor einen Mieter verhaftet. Dieser
Mieter hatte sich im Hotel als Elsässer eingetragen, jedoch stellte es sich heraus, dass er vor einigen Jahren aus
einem deutschen Konzentrationslager geflohen war.
Der Mann, erzählte die Villard, sei in die Sante gebracht worden, von dort aus würde er bald nach